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9. Oktober 2020

Leitfaden Messen und Schätzen – Die wichtigsten Punkte im Überblick

Lang genug gewartet haben wir ja, umso mehr freuen wir uns, dass es jetzt da ist: Die Bundesnetzagentur hat gestern, am 8. Oktober 2020, das „Leitfaden Messen und Schätzen bei EEG-Umlagepflichten“ veröffentlicht (es hieß vorher  „Hinweispapier“, daraus ist jetzt „Leitfaden“ geworden). 

Ziel des Leitfaden ist es, wie im Detail mit Fragestellungen der Abgrenzung von Drittverbrauch bei Eigenversorgern umzugehen ist.

Geringfügigkeitsgrenze definiert

Eines der umstrittenen Themen während der Konsultation war die Frage der Zuordnung von geringfügigem Verbrauch. Hier hat die Bundesnetzagentur eine Regelung formuliert, die zum Einen mit White- und Blacklists arbeitet und zum anderen auf zwei Kriterien gestützt ist.
In der Whitelist sind die Geräte aufgenommen, bei denen ein „geringfügiger Verbrauch“ angenommen wird und die deshalb nicht abzugrenzen sind. Über die Whitelist aus der Abgrenzungspflicht sind übliche Bürogeräte wie Drucker, Arbeitsplatzrechner oder WLAN-Router (sie waren überhaupt erst zu einem Thema geworden, weil sie häufig geleast sind und damit nicht dem Eigenerzeuger selbst gehören). Zeitgleich führt die BNetzA einen Verbrauchswert ein, der eine erste bedeutende Klarstellung ergibt: Ein Jahresverbrauch von 3.500 kWh (bzw. eine Leistungsaufnahme von mehr als 0,4 kW) beschreibt eine erste Grenze dessen, was unter „geringfügig“ zu verstehen ist.

Zeitweise Nutzung

Ein zweites Kriterium wird auch im Rahmen der Whitelist beschrieben: Immer dann, wenn Geräte nur zeitweise (einmalig oder wiederholt kurzzeitig) genutzt werden. Genannt wird hier das Beispiel des Staubsaugers eines externen Reinigungsunternehmens, dessen Leistungsaufnahme über 0,4 kW liegt (unser Staubsauger hat beispielsweise 1,2 kW) und somit nach dem Kriterium der Leistungsaufnahme nicht mehr geringfügig ist. Hier kommt als zweites Kriterium die kurze Betriebsdauer ins Spiel, auch wenn sie wiederholt stattfindet.

Maßstab: Verbrauchshöhe und Dauer

Nimmt man beide Kriterien zusammen gibt es einen ganz guten Maßstab, welche Verbräuche abzugrenzen sind und welche nicht. Das ist in der Praxis weniger als ursprünglich angenommen. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die kurze Dauer aber kein eigenständiges Kriterium ist, sondern in Zusammenhang mit dem Verbrauch zu sehen ist. Auch wenn es nirgendwo explizit so erwähnt ist, könnte daraus folgen, dass ein Verbrauch größerer Geräte ab 3.500 kWh dann nicht mehr geringfügig ist.
In diese Richtung gehen auch die im Leitfaden genannten Beispiele der Blacklist, die dieser Vorstellung folgen.

Die teilweise kuriosen Konstellationen, die es noch im Hinweispapier gegeben hatte (und für die wir es geliebt haben) sind fast verschwunden, aber noch nicht ganz: Der Arbeitsplatzrechner, der an einen „Großrechner“ angeschlossen ist, scheint ein wenig aus der Zeit gefallen. Für Flughäfen können wir uns eine solche Konstellation vorstellen, aber sonst? Interessant daran ist jedenfalls die Fragestellung, ob ein reiner Client-Rechner, der per Terminal-Programm auf den Großrechner zugreift, darunter fällt. Und spielt bei dem der Verbrauch eine Rolle? Oder die Nutzungsdauer? Zumindest eröffnet der Leitfaden die Möglichkeit, hier über eine Messung die Geringfügigkeit nachzuweisen.

Messen oder Schätzen

Bereits im Hinweispapier waren vereinfachte Regelungen eingeführt worden, die jetzt auch im Hinweispapier auftauchen. Geschätzt werden darf immer dann, wenn
a) die Abgrenzung technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand und
b) wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
Es müssen also eine der beiden Voraussetzungen aus a) und der Punkt b) erfüllt sein.
Bei der technischen Unmöglichkeit kommen natürlich die bekannten Tatbestände der Gleichstrommessung, die zumindest nicht in allen Fällen eichrechtskonform möglich ist, oder der Messung mit nicht geeichten Wandlern in den Sinn.

Bei der Position des unvertretbaren Aufwands und der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit scheint es sich um etwas Ähnliches zu handeln. Doch die Differenzierung mach durchaus Sinn: Es gibt Fälle, in denen es technisch schwierig ist, eine Messung und vor allem die ebenfalls notwendige Übertragung der Werte über eine kabelgebundene Leitungsstrecke baulich umzusetzen. Die im Leitfaden genannten Fälle sind etwas sehr theoretisch. Folgende Konstellation einer rheinischen Universitätsklinik kommt dem näher: Gemessen werden soll ein Drittverbrauch in einem Aufenthaltsbereich für Rettungssanitäter in unmittelbarer Nähe zu den Intensivstationen. Strom liegt dort, aber keine Kommunikationsleitung. Um diese Leitungzu legen müsste man (1) den Trakt der Unfallaufnahme schließen, (2) eine komplizierte Verteilung aufwändig öffnen und (3) den Bereich anschließend reinigen und keimfrei machen. Kann man machen, ist aber wohl doch unvertretbar.

Bei der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit geht es vor allem um die Prüfung, ob mögliche Erleichterungen genutzt werden könnten. Nicht erwähnt ist leider ein Aspekt, der eigentlich hier zu erwarten wäre: Das Verhältnis von Kosten für die Messung zu den erzielten Einsparungen. Das bedeutet in der Folge, dass ein (nicht mehr geringfügiger) Snackautomat genauso betrachtet wird wie eine industrielle Hydraulikpresse. Deren Verbräuche unterscheiden sich zwar maßgeblich, die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit allerdings nicht. Hier wäre Raum gewesen, für kleine Verbraucher eine Option offenzuhalten.

Durchführung der Schätzungen

Bei der Frage der Schätzungen gibt es mehrere Festlegungen, die eine sachgerechte Schätzung sicherstellen sollen und damit vor allem verhindern sollen, dass durch die Schätzung gespart wird.

Mit Hilfe der Sicherheitszuschläge sollte eine systematische Überschätzung erreicht werden. Schätzen soll also nicht zu geringeren Verbräuchen als bei einer Messung führen. Wichtig ist, dass unterschiedliche Unsicherheitsquellen (Leistungsaufnahme, zeitliche Nutzung usw.) jeweils einen eigenen Sicherheitszuschlag erfordern. Ein prozentualer Wert wird allerdings nicht genannt. Wie hoch muss also überschätzt werden? 5 Prozent? 20 Prozent?

Auf der sicheren Seite ist man bei der „Worst-Case-Schätzung„, die wir hier schon einmal beschrieben hatten: Leistungsaufnahme multipliziert mit den 8.760 Stunden eines Jahres, fertig.
Bei der exemplarischen Messung wird ein (exemplarischer) Verbraucher als Grundlage für eine Hochrechnung des Verbrauchs aller Geräte genommen. Also, in dem von den gleichartigen 20 Getränkeautomaten eine exemplarische Menge genommen wird. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Automaten mit den höchsten denkbaren, verbrauchsrelevanten Parametern gewählt werden. Also der Kaffeeautomat mit dem höchsten Durchsatz, der Snackautomat mit dem größten Verbrauch,  der Getränkeautomat bei nicht permanenter Messung in der wärmsten Jahreszeit. Auch hier scheint der Grundsatz der Überschätzung der Werte durch…
Mit der anteiligen Schätzung können Konzepte wie die Abrechnung nach Fläche oder pro Kopf umgesetzt werden.
Und schließlich kann auf der Basis einer Vorjahresschätzung fortgeschrieben werden.

Zum Abschluß könnten wir jetzt loben, dass die finale Version ganz gut geraten ist und sich Vernunft und Augenmaß durchgesetzt haben. Aber es überwiegt ein schaler Beigeschmack, weil die Ergebnisse jetzt kaum noch umgesetzt werden können. Steckdosenzähler werden knapp, und wem jetzt auffällt, das im Bereich Software noch Lösungen implementiert werden müssen: Da könnte es eng werden bis zum Jahresende.
Es bleibt spannend…